Hier möchte ich kleine Geschichten sammeln, die das Leben schreibt und die immer wieder Anlass zum Schmunzeln sind. Solche, die an geselligen Bier- und Weintischen immer wieder gern erzählt werden.
Das Badehandtuch
Seit fünf Jahren gehe ich jeden Mittwoch in die Therme, wenn die Corona-Politik nicht gerade einmal wieder der Meinung ist, mit Saunagängen und Bewegung im Thermalwasser fördert man die Ansteckung mit Viren der bösartigsten Art, weshalb man solche Art von suspekten Gesundheitstempeln doch lieber schließen sollte. Abwehrkräfte stärkt man besser durch gentechnisch manipulierte Impfungen, die man leider nicht lange auf Wirksamkeit und Nebenwirkungen testen konnte.
Gut, ich bin zweimal geimpft. Mein Arzt war der Meinung, dass ich durch Alter und Vorerkrankungen zur Risikogruppe gehören würde. Trotzdem finde ich es besser, meine eigenen Abwehrkräfte zu stärken und zu trainieren. Und dafür ist eine Therme mit 13 verschiedenen Saunas und viel salzhaltigem Thermalwasser sicher bestens geeignet.
Also, es ist geöffnet und nach der organisierten Wassergymnastik sitze ich auf meinem Liegestuhl und frühstücke meine durch Tomaten und Gurke kulinarisch ergänzten Klappstullen. In der Reihe vor mir hat ein Thermengast sein wunderschönes schneeweiß gewaschenes Handtuch über die Lehne gehängt, direkt vor meine Beine. Nun ist nach reichlich Stulle eine ganze Tomate dran. Keine Miniausgabe, keine Fleischfrucht, irgendetwas in der Mitte der Größenskala. Für Abbeißen ist sie dennoch zu klein, also versuche ich sie mit der Kraft meiner Kiefer zu zerdrücken. Leider versäume ich es, den Mund vollständig zu schließen. Das Tomateninnere fliegt mit beeindruckender Geschwindigkeit auf das vor mir hängende große weiße Badehandtuch zu. Es entsteht ein in einem Bogen gezeichnetes hochrot gesprenkeltes und hübsch leuchtendes Muster auf dem flauschigen Weiß des Frotteeerzeugnisses. Peinlich berührt sehe ich mich nach dem Besitzer des Handtuches um, aber kein Badegast ist zu sehen. Plötzlich beginnt mein Hirn zu arbeiten und ich muss lachen. Nicht irgendein Schmunzeln, nein, eine Art sich wieder und wieder aufbäumende Lachsalve treibt mir die Tränen in die Augen. Ich stelle mir vor, der Besitzer des Handtuches kommt zurück und ich stelle ihn zur Rede: „Mit so einem schmutzigen Handtuch würde ich aber nicht in die Therme gehen!“ Wie in einem Film sehe ich die Situation des völlig verstört dreinschauenden Badegastes vor mir. Ich ermahne mich, nicht so albern zu sein, zumal ich ganz allein sitze und wohl kaum ein Fremder nachvollziehen könnte, warum ich derart amüsiert bin.
Neue Saunagänge und das Schwimmen in einem der vielen Becken beruhigen mich schließlich. Doch für Wochen bekomme ich beim Anblick eines weißen Badehandtuches immer wieder so ein eigenartiges Grinsen in mein Gesicht.
Die Haltestelle
Es ist doch sehr selten, dass ich mein Auto stehenlasse und mich in das Abenteuer „Öffentliche Verkehrsmittel“ stürze. Die Treffen mit Freunden, bei dem der eine oder andere gute Tropfen genossen wird, sind Gründe dafür.
Überpünktlich und noch vor der auf BVG.de angegebenen Abfahrtszeit erreiche ich die zugige Haltestelle der Straßenbahn. Hier stehen zwei etwa 14 Jahre alte Mädchen, mit viel schwarzem Leder und superkurzen Röcken gekleidet, ihre Frisuren sehr in Richtung Punk gestylt. Für mich aber irgendwie noch zu jung, um den Lebensstil der Punkkultur glaubhaft zu vermitteln. Die beiden warten ziemlich ungeduldig auf die nächste Bahn, sie gestikulieren heftig und werfen sich sehr laut recht gewöhnliche Satzfetzen zu, die man noch bis zur gegenüberliegenden Straßenseite hören kann. Zehn Minuten nach planmäßiger Abfahrt ist es dann offensichtlich, dass es sich um einen Komplettausfall handelt. Eigentlich recht typisch für mich, denn Öffentliche mögen mich nicht. Ich möchte behaupten, dass in der Mehrzahl der Fälle, in denen ich auf den Nahverkehr zähle, dieser mir durch Ausfälle, Havarien, plötzliche Streckenverlegungen oder Polizeieinsätze keine Freude macht. Nur eine Bombenentschärfung hatte ich noch nicht. Oft regnet, stürmt es oder ist saukalt, besonders ätzend auf dem mitunter sehr späten Heimweg. Murphy’s Gesetz ist keine Erfindung sondern das wahre Leben.
Zurück zu den beiden. Die Oma, die mit uns ebenfalls auf die Bahn wartet, wird direkt und laut informiert, dass die beiden lesbisch seien. „Haben Sie was dagegen?“ wird Oma gefragt, die aber nur verstört wegschaut. Nun beschließen sie erst einmal verbal und wieder sehr laut bis zur nächsten Haltestelle zu laufen, was ja keinen Sinn ergibt, weil auch dort nur dieselbe Bahn fährt und die ja auch nicht früher kommt. Plötzlich fragt mich die größere von beiden „Meinen Sie, dass wir das schaffen?“. Ich antworte kurz und energisch „Nein!“. „Wieso denn das?“ fährt sie mich schroff an und ich erkläre „Ihr seid dafür zu schwach“. Damit haben sie nicht gerechnet und ich gleich weiter „Ihr braucht Eure ganze Kraft für Eure große Schnauze!“ Nun sind die beiden außer Rand und Band, wollen mit mir ziemlich unschön streiten. Ich freue mich über meine so plötzlich in den Sinn gekommene Schlagfertigkeit und lasse sie einfach stehen. Nun mache ich mich in aller Ruhe auf den Weg zur nächsten Haltestelle, die planmäßige Abfahrt der hoffentlich nächsten Bahn lässt es noch zu. Die kommt und bringt mich nur etwas verspätet zur S-Bahn. Die ist nicht sehr voll, ich sitze am Fenster. Plötzlich kommt wieder so ein junges Ding und setzt sich mir recht provokativ gegenüber auf den anderen Fensterplatz. Sie ist ähnlich punkig gekleidet, wie die beiden an der Haltestelle der Straßenbahn. Zerfetzte Jeans, die schon lange keine Waschmaschine mehr gesehen hat. Gestrickte Handschuhe mit abgeschnittenen Fingerspitzen zeigen ihre schmutzigen Fingernägel. Sie hat eine noch geschlossene Bierflasche in der Hand. Plötzlich streckt sie mir völlig wortlos beide Arme entgegen, in der einen Hand die Flasche und in der anderen ein Feuerzeug. Ich begreife schnell: Aufmachen! Vielleicht hat sie erkannt, dass Bier zu meinen bevorzugten Durstlöschern gehört. Ich bekomme mit so ziemlich allen Hilfsmitteln eine Bierflasche auf, was sie mir ganz offensichtlich zutraut. Und so strecke ich ihr mit meinen beiden Armen genauso wortlos die geöffnete Flasche und das Feuerzeug wieder entgegen. Ein kurzes „Danke!“ überrascht mich schon. Ja, denke ich, besser erzogen als die beiden vorhin. So jung wie sie ist, fließen nun recht kräftige Schlucke Bier in ihre Kehle, eine gewisse Übung darin verratend. Ich muss schlucken und die Vorfreude auf meinen näher kommenden Freundesabend wird größer.
In den noch verbleibenden Stationen bis zum Erreichen meines Zieles habe ich genug Zeit, mir so meine Gedanken zu machen - über unsere Jugend und unsere hoffnungsvolle Zukunft mit ihr.
Der Baumarkt
Der Besuch eines großen Baumarktes ist für einen Mann immer ein großes Abenteuer, auch wenn man nur zum Kauf einer dringend benötigten einzelnen Schraube aufgebrochen ist.
Seit meiner Schulzeit habe ich nicht mehr mit einer Laubsäge gearbeitet. Derart filigrane Bastelarbeiten werden heute meist sehr akkurat und preiswert in den Manufakturen Chinas ausgeführt. Dennoch hatte ich die Idee eine Aussparung in einer größeren Sperrholzplatte, die heute Duplex- oder Multiplexplatte heißt, mit einer solchen Handsäge auszuführen.
Mein Weg führte damit schnurgerade auf den direkt neben den Kassen gelegenen Informationstresen. Damit befand ich mich in Hörweite der an den Kassen anstehenden Kunden. Die in einem hübschen roten Anzug steckende junge Kollegin blickte mich in Erwartung meines Auskunftsbegehrens freundlich an. „Können sie mir sagen wo ich eine Laubsäge finden kann.“ Nicht nur ich, sondern auch die an den Kassen anstehenden Männer, die meine Frage gehört hatten, waren gespannt auf die Antwort. Wohl, weil schon lange kein ernstzunehmender Heimwerker mehr nach so einem traditionellen Werkzeug gefragt hatte. „Da müssen sie in die Gartenabteilung gehen“, kam die promte Antwort. Dem Laub an der Säge ordnete sie mit Priorität einem Garten zu und nicht dem Werkzeug einer Säge. Das nun einsetzende Gelächter der wartenden „Fachmänner“ verunsicherte die Mitarbeiterin mit hochrotem Kopf so, dass sie sich sofort auf den Weg machte, einen kompetenten Mitarbeiter zu suchen. Als der kam, blieb sie in gebührendem Abstand zu ihrer Infotheke stehen und beobachtete schüchtern, wie mir ihr Kollege den Weg zum richtigen Regal in der Werkzeugabteilung wies.